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Kreuznachtillon

Wahlprognose

PARTEIEN ZUR WAHL

Weil es gerade modern ist, hat auch der Kreuznachtillon ein Forum mit den im Wahlkreis Kreuznach antretenden Direktkandidaten veranstaltet, um deren Ansichten über Politik zu erkunden. Die Antworten differierten zwischen blabla und blablabla.

Wie bei anderen Veranstaltungen auch waren hinterher alle so dumm wie vorher und außerdem der einhelligen Meinung, man hätte sich das Ganze auch sparen können. Aufschlussreich waren aus Sicht der Redaktion aber zumindest die Antworten auf die abschließende Frage, die da lautete: Wer wird 2018 deutscher Fußballmeister? Hierzu vertraten die Kandidaten endlich einmal unterschiedliche Auffassungen, nämlich folgende:

CDU: Dazu möchte ich mich nicht äußern, um unsere bayerische Schwesterpartei nicht zu verärgern.

SPD: Wir sind die Partei der Verlierer. Fragen Sie mich lieber, wer absteigt.

DIE LINKE: Die Bundesliga ist ein übler Hort des Kapitalismus. 90 min. Arbeit mit nur 15 min. Pause sind unzumutbar. Ich unterstütze die Mannschaft, die ihren Spielern eine Stunde Halbzeit gewährt.

BÜNDNIS ACH DU GRÜNE NEUNE: Meisterschaft klingt nach Leistungsdruck, das lehne ich ab. Wichtig ist, dass der Rasen mit einer Sense gemäht wird und Flüchtlinge freien Eintritt ins Stadion erhalten.

FDP: Meine Sympathie gilt grundsätzlich denjenigen, die uns am meisten spenden.

AFD: Gewinnen wird die Mannschaft mit dem stärksten Rechtsaußen. Und der Sieg wird endgültig sein.

FREIE WÄHLER: Ich sehe mich als Experten, deshalb beziehe ich niemals vorher klar Stellung, sondern kritisiere stets hinterher.

DIE PARTEI: Es ist ein Kreuz mit diesem Wahlkampf. Ständig wird man irgendwas gefragt. Ich bin für die Mannschaft der Einhörner.

Meinungsforscher und Politikwissenschaftler haben die sehr differenzierten Statements eingehend analysiert und keine klare Antwort daraus herleiten können. Das als führend geltende Institut delphianoracle ist sich jedoch zumindest in einem Punkt sicher: „Die Farben der nächsten Regierungsparteien werden nicht die des nächsten deutschen Fußballmeisters sein.“

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Kreuznachtillon

Justizneubau

JUSTIZ ERPROBT NEUES LANDGERICHT

„Ja ist denn schon wieder Fassenacht“, fragte sich mancher Zeitungsleser infolge Berichten über die Weitergabe eines überdimensionalen Schlüssels. Es handelte sich aber nur um die symbolische Übergabe des Justizneubaus an Landgerichtspräsident Tobias Eisert. Der informierte die Zuschauer – wie schon häufiger – in metaphorischen Worten: „Das alte Landgericht war wie ein Nachkriegskäfer. Im Vergleich dazu fliegen wir mit dem neuen Gebäude ein Raumschiff.“

Anschließend begab sich eine ausgesuchte Runde zu einer Probesitzung in den Großen Sitzungssaal – und stellte zunächst fest, dass dieser wesentlich kleiner ist, als der alte, der im Nachkriegskäfer. Dennoch eröffnete der Vorsitzende einer Strafkammer die erste Verhandlung im neuen Gebäude. Die amtierenden Richter hatten ihre Roben für diesen Augenblick extra überbügeln lassen, der Staatsanwalt die weiße Krawatte neu aus der Reinigung geholt, der Verteidiger ließ dezent das Armani-Logo seines Anzuges aufblitzen. Nur der Angeklagte erschien mit Jogginghose, was die festliche Stimmung trübte und ihm deshalb drei Monate zusätzlich einbrachte.

Ansonsten verlief der Prozess in den üblichen Bahnen, bis ein Zeuge aufgerufen wurde, der aus einer Haftzelle vorgeführt werden musste. Bisher hatten die Vorsitzenden nur einen einzigen Knopf vor sich, um den Flurlautsprecher zu bedienen. Im neuen Raumschiff befindet sich an dieser Stelle ein komplettes Mischpult mit zahlreichen Schiebern und Reglern, was den Vorsitzenden zunächst überforderte. Nach kurzer Beratung der Kammer entschied er sich für den dritten Knopf von links und durchbrach die mittlerweile eingetretene peinliche Stille mit einem lässig ins Mikrofon gehauchten: „Beam ihn up, Scotty!“

Umgehend verdunkelte sich der Saal, Spannung kam auf, jeder wartete gespannt, kraft welch wundersamer Tricks der Häftling nun im Sitzungssaal erscheinen würde. Die Schöffen schauten gespannt zu Decke, wohl in dem Glauben, die Vorführung erfolge wie beim deus ex machina durch Abseilen von der Decke. Zuschauer hatten eher den Fußboden im Visier, wo sie eine geheime Klappe vermuteten, um den Zeugen aus dem Keller direkt in die Arena zu hieven. Jedoch: Nichts geschah.

Eine Beisitzerin begann umgehend mit dem Studium der 70seitigen Gebrauchsanleitung für das Mischpult, der Vorsitzende blätterte hektisch in einem Kommentar zur Strafprozessordnung, als ob dort die Lösung zu finden sei. Aufkommende Unruhe im Publikum unterdrückte er mühsam mit einem „Ruhe im Saal.“

Die Baujuristen unter den Ehrengästen diskutierten dennoch über den Unterschied zwischen Mängelrügen und Nachbesserungsverlangen, Gerichtspräsident Eisert beriet sich mit seinem Stellvertreter heimlich über eine Verschiebung des Gerichtsumzuges um drei Monate. Ratlosigkeit und Entsetzen machten sich breit. Als schließlich die Spannung unerträglich war, wagte sich die Protokollführerin schüchtern das Wort zu ergreifen und raunte dem Vorsitzenden in breitem Uwersteener Dialekt zu: „Eisch glaab der Knopp lor, den wo Sie gedrickt han, dat woar de Lieschd-Schalder.“

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Randalierer

NEUSTADT-OLYMPIADE

Kreuznacher Nächte sind zwar nicht länger, aber offenbar dunkler als anderswo. Anders ist es kaum zu erklären, dass sich irgendwelche Vollpfosten in dieser Zeit an fremdem Eigentum abreagieren.

Um das Chaos zu systematisieren hat der Stadtrat nun eine dreistufige Klassifizierung eingeführt, die dem nächtlichen Treiben einen sportlichen Anstrich geben soll. Für die erste Kategorie, genannt „Abschaum“, werden ab sofort diejenigen nominiert, die nachts laut gröhlend durch die Neustadt ziehen, auf die Straßen pinkeln und vor Haustüren kotzen. Ihnen winkt als Preis ein paar in die Fresse und ein Benimmseminar.

In der zweiten Kategorie, genannt „Dreckspack“ werden diejenigen gebündelt, die randalieren, Pflanzkübel zerstören, Autospiegel abtreten usw. Für diese Gruppe sind Preise im Bereich Bußgeld bis Strafanzeige vorgesehen.

Für die dritte Kategorie ist bisher noch niemandem ein Name eingefallen. Hier dürfen nur echte Gewalttäter antreten, um den ihnen gebührenden Preis zu verdienen. Absoluter Spitzenreiter in dieser Gruppe der namenlosen Schwachköpfe ist ein noch unbekannter Athlet, der an diesem Wochenende zum dritten Mal in diesem Jahr das Einrichtungshaus „Casa Due“ in der Neustadt heimgesucht hat, um dort eine Panzerglasscheibe einzuschlagen. Das Preisverleihungs-Komitee setzt große Hoffnungen in die neue Kategorisierung und ruft dazu auf, sich eifrig für einen Platz auf dem Siegerpodest zu bewerben. Insgeheim freut sich ein Jury-Mitglied bereits: „Wer sich so benimmt wie dieses Gesocks, müsste eigentlich auch doof genug sein, sich namentlich zu bewerben.“

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Hell-Driverin

HOHE ADAC-AUSZEICHNUNG NACH DÖRREBACH VERLIEHEN

Das goldene Lenkrad mit Eichenlaub am Bande erhielt dieser Tage Franca M. aus Dörrebach. Ihre Leistung: Binnen einer Woche steuerte sie ihr Auto unfallfrei durch drei italienische Großstädte und kehrte lebend zurück.

Kritik an der militärischen Symbolik des Preises wies der ADAC-Präsident persönlich zurück: „Die Parallelen sind gewollt, denn Stadtverkehr in Italien ist purer Nahkampf.“ Dem stimmt die noch immer von Adrenalin durchströmte Preisträgerin zu: „Baulich entsprechen die meisten Straßen einer ausgefahrenen Seitengasse in Dörrebach. Aber bereits ein einspuriges Sträßchen wird in Mailand zweispurig befahren. In Rom kommen dann diverse Vespas dazu und in Neapel wird man rechts und links von Autos und Vespas überholt. Sobald eine Straße mehr als einspurig ist, gelten alle Verkehrsregeln ohnehin als aufgehoben.“

Selbst erfahrene ADAC-Testfahrer zittern bei dem Gedanken, dass Franca M. sich allein auf ihr Navi verlassen hat. „Im Kreisel einfach die 2. Ausfahrt zu nehmen ist eigentlich unmöglich“, erläutert ein mehrfacher Gewinner der Rallye Paris-Dakar. „Sobald man in Italien in einen Kreisel einfährt, sind plötzlich so viele Autos um einen herum, dass man nie wieder herausfindet. Die einzige Chance ist, so lange im Kreis zu fahren, bis der Tank leer ist. Dann werden sie plötzlich hilfsbereit und schieben einen raus. Unfassbar, dass diese Frau da einfach durchgefahren ist.“

Damit stellt sich die Frage nach der Vorbereitung auf den Trip. Franca M. bekennt insoweit aber planerische Defizite: „Ich habe einen Sprachkurs gemacht, der war jedoch nutzlos. Worte wie Blinken, Bremsen oder gar Halten kennen die ebensowenig wie Vorfahrt oder Rechts-vor-Links. Kommuniziert wird dort nur mit den äh mit der Hupe.“

In dem vom ADAC verliehenen Preis enthalten sind auch Therapiekosten wegen posttraumatischer Belastungsstörungen, ausgelöst durch Fußgänger und Busse: „Wenn man innerorts halbwegs vorschriftsmäßig fährt und plötzlich taucht ein Linienbus im Rückspiegel auf, das ist schon brutal“, räumt die Preisträgerin ein. „Da denkt man nicht mehr an Geschwindigkeitsbeschränkungen, da will man nur noch überleben, egal wie schnell. Und dann die Fußgänger! Ein Zebrastreifen ist in Italien eigentlich die Aufforderung, sein Auto maximal zu beschleunigen. Dennoch versuchen Menschen todesmutig die Straßen zu überqueren. Wo man hinschaut fliegen gerade ein paar Fußgänger durch die Luft. Ich bekomme diese Bilder einfach nicht mehr aus dem Kopf.“

Derzeit versucht sie, sich wieder an deutsche Verhältnisse zu gewöhnen. Aber das fällt noch schwer: „Gestern habe ich in der Roßstraße vor der Einfahrt zur Sparkassentiefgarage ein Motorrad überholt, das seinerseits gerade einen LKW überholte. Aus Richtung Kornmarkt kam mir so ein Idiot entgegen, der einfach in seiner Spur blieb, statt über Gegenfahrbahn und Bürgersteig auszuweichen. Ich verstehe nicht, wie man so stur sein kann. Der hätte doch allenfalls ein paar Stühle vom Körnchen wegrasiert. Statt dessen musste ich wegen dem bremsen.“

Für Nachahmer, die es ebenfalls versuchen wollen, hat Franca M. noch einen Tipp: „Man muss sich an die Einheimischen anpassen, was konkret bedeutet: Augen zu und Vollgas! Niemand weiß weshalb, aber nur so funktioniert es. Es ist ein rein instinktives Fahren. Wer auch nur anfängt nachzudenken, hat schon verloren.“

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Nahephilharmonie

KREUZNACHER BAUSYMBOLPOLITIK

Was hat die Republik gelacht, als die Hamburger ein Konzerthaus für rund 100 Mio. planten und am Schluss knapp 800 Mio. dafür hinblättern mussten. Einer jedoch war von Anfang an neidisch, nämlich Stadtkämmerer Wolfgang Heinrich: „Achtfach so teuer – das muss erst mal geschultert werden“, bemerkte er anerkennend schon anlässlich der Eröffnung der Elbphilharmonie. Man munkelt, dass er seither davon träumt, mit einem ähnlichen finanziellen Desaster seine haushälterischen Fähigkeiten zu beweisen.

Für Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer hingegen sind Cent und Euro keine Parameter politischer Größe. Ihr imponiert eher die Zeitlosigkeit von Bauprojekten wie dem Großflughafen BER. Mangels koalitionärer Zwänge haben sich die beiden Stadtvorstände darum nun zusammengetan, um sich am Casino-Gebäude völlig befreit zu verwirklichen. Die Sanierungskosten wurden soeben von geplanten 700.000 über zwischenzeitliche 1,6 Mio. auf wenigstens 2,5 Mio. hinaufgeschraubt, was den Kämmerer freut: „3,5fache Kosten haben wir schon. Das Ziel liegt bei Ausgaben von wenigstens 7 Mio., dann haben wir Hamburg überflügelt.“

Die OB schwärmt derweil von dem ins Ungewisse verschobenen Fertigstellungstermin: „Wenn wir irgendwann fast fertig sind, werde ich den Bau komplett abreißen lassen. Es muss auf jeden Fall länger dauern als in Berlin.“

Beide haben sich zudem als letzte noch handlungsfähige Stadtpolitiker auf einen neuen Namen für das Gebäude geeinigt, der ihre Ambitionen mehr betonen soll. Sowohl „Höhenflugsaal“ als auch „Bruchlandungspiste“ wurden bereits verworfen. Statt dessen wird das Casino-Gebäude wegen der unübertroffenen Dissonanzen im Sitzungssaal umbenannt in „Nahephilharmonie“.