Konzertierte Aktion der Kreuznacher Automobilwirtschaft: Werkstätten, Tankstellen und Autohäuser haben dieser Tage die Initiative „Bei uns kommt das Diesel aus der Steckdose“ ins Leben gerufen. Einer der Mitinitiatoren ist Recai Simsek, Gutachter und Werkstattbetreiber in der Konrad-Frey-Straße.
Simsek erinnert sich ganz dunkel noch an die Energiediskussion der 1980er Jahre. Damals habe es einen ähnlichen Slogan gegeben und nur dadurch sei es gelungen, den Atomausstieg um rund 30 Jahre zu verzögern. Viele hätten sich nämlich angesichts einer Steckdose gesagt: „Völlig egal, wo der Saft herkommt.“ An diese Erfolgsgeschichte einer wortakrobatischen Meisterleistung wollen die Vertreter der Kreuznacher Automobilwirtschaft nun anknüpfen.
Denn es besteht Handlungsbedarf! „Ich verkaufe zur Hälfte Diesel und zur Hälfte Benziner“, erklärt Hatschi Halef Omar, der im Brückes einen Gebrauchtwagenhandel betreibt. „Wenn der Verkauf an Dieseln wegbricht, muss ich diese Hälfte von der anderen Hälfte abziehen. Und was bleibt mir dann? Nichts!“ Ähnlich dramatisch sehen es – wenn auch mit einem Grinsen im Gesicht – seine Berufskollegen: „Hatschi reagiert oft ziemlich verschnupft“, erläutert einer von ihnen, der namentlich nicht genannt werden will. „Er kalkuliert brutto gleich netto, das ist nicht immer einfach. Wir seriösen Händler führen natürlich Buch. Unser Geschäft funktioniert dadurch, dass wir uns ständig unsere eigenen Autos wechselseitig verkaufen. – Carusell nennen wir das. Dadurch erhalten wir jeden Monat eine Vorsteuererstattung vom Finanzamt. Von der wir dann leben.“ Welche Rolle der Diesel dabei spielt, scheint auf den ersten Blick fraglich, doch der namenlose Informant gibt auch darüber Auskunft: „Das Umsatzsteuer-Carusell funktioniert nur, solange wir unter der Hand Diesel verkaufen. Hauptabnehmer dafür sind nämlich Handwerker und Landwirte – und die zahlen bar ohne Quittung. Wenn dieses Geschäft wegbricht, wird es schwierig.“
Um genau dies zu verhindern, rüsten die Tankstellen im Kreisgebiet nun um: „Für den Kunden ändert sich nichts“, erklärt der Inhaber einer Tankstelle in der Rüdesheimer Straße zufrieden. „Aber am anderen Ende der Leitung, dort wo das Diesel aus der Zapfsäule kommt, befindet sich nun eine Attrappe in Stteckdosenform. Darüber ein Warnhinweis: Vorsicht Strom! – Ökologischer geht es nicht.“ Durch das Diesel aus der Steckdose habe man den Umsatz sogar noch steigern können, freut sich Dirk Stiebitz von der Tanke in Windesheim: „Meine Dieselzapfsäule ist mit ‚Danger! High Voltage!‘ beschriftet. Da brummt das Geschäft wie nie zuvor. Die Leute behaupten ernsthaft, sie könnten mit dem Diesel aus der Steckdose noch schneller rasen als vorher. Neulich tankte hier ein Porsche. Daraufhin hat sich prompt ein Winzer mit seinem Traktor an der nächsten Straßenecke auf die Lauer gelegt. Der wollte es unbedingt auf ein Wettrennen anlegen.“
Damit schließt sich auch für die Werkstatt Simsek der Kreis: „Seit die Dieselfahrer denken, sie würden mit Strom fahren, ist das schlechte Gewissen gegenüber der Umwelt nicht mehr vorhanden. Die treten wieder richtig auf’s Gaspedal“, freut sich der Inhaber. „Vor allem diejenigen, die meinen, sie hätten Starkstrom im Tank, fliegen im Akkord aus der Kurve. Das Reparaturgeschäft läuft besser denn je.“