OBERBÜRGERMEISTERIN SUCHT ERSATZ-GÜNNI
Bad Kreuznach am ersten Sonntag im August. Sommerzeit, Ferienzeit. Alle Menschen genießen das Leben in der idyllischen Kleinstadt. Alle bis auf einen: Auf der Terrasse seines Anwesens liegt auf einem Camping-Relax-Stuhl der Ehemann von Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer.
Er wirkt verkatert, kühlt seine Stirn mit einem Eisbeutel. Seine Stimme ist schwach, sie zittert ein wenig, als er von seinen gewaltige Sorgen berichtet: „Von den diversen Oktoberfesten in der Stadt bis zum Nockherbersch der Fidelen Wespe wird meine Heike ständig zu Fassbieranstichen eingeladen. Und weil sie so pflichtbewusst ist, beginnt sie immer am ersten August den Anstich zu trainieren. Für mich die härteste Zeit des Jahres.“ Er blinzelt gequält gegen die Sonne, betupft mit dem Eisbeutel seine Schläfen. Eigentlich sollte es ein Geheimnis bleiben, doch der Mann trägt schwer an seinem Schicksal, darum sprudelt es einfach so heraus aus ihm: „Sie trainiert mit großer Disziplin. Dreimal täglich ist Standard. Am Wochenende, wenn mehr Zeit ist, übt sie sogar fünfmal täglich“ berichtet der Günni. „In der bevorstehenden Kampagne möchte sie mit dem Rückhandanstich beeindrucken. Da kommen bestimmt noch ein paar Trainingseinheiten extra dazu.“
Es fällt ihm schwer, seine Gedanken zu ordnen. Man ahnt, was er durchmacht. Anfangs habe er diese Zeit geliebt, räumt er ein. Aber mit den Jahren, gehe es an die Substanz. „Das muss ja auch alles getrunken werden“, stöhnt er dann. „Meine Heike ist sehr sparsam. Die mag keine Reste, darum sticht sie ein neues Fass erst an, wenn ich das davor geleert habe.“ Um auf Alles vorbereitet zu sein, variiere die OB zudem, berichtet der Günni weiter. „Mal nimmt sie 10-Liter Fässer, mal 30er, mal 50er. Ich weiß nie genau, was mich erwartet, weiß nur, dass ich die ganze Brühe wegsaufen muss.“
Er hält kurz inne, schnappt nach Luft, richtet sich dann spontan auf. „Ich glaube, es hebt mich“, entschuldigt sich der Günni vorsorglich, aber es kommt nur ein Rülpser von rund einer halben Minute Dauer. Anschließend lehnt er sich ermattet zurück, nickt kurz weg, zuckt unruhig wieder hoch. „Mittlerweile verfolgt es mich bis in den Schlaf“, flüstert er. „In meinen schlimmsten Albträumen spukt sie mit Brauerschürze, Zapfhahn und Holzhammer herum.“
Doch neulich habe er den Aufstand geprobt, sie inständig und auf Knien gebeten, es doch einfach mal nur mit einer 5-Liter-Dose zu probieren. „Das hat meine Situation ein wenig verbessert„, gesteht der Günni kleinlaut. Man habe sich ausgesprochen und die OB habe Verständnis für seine Lage gezeigt. „Ich muss jetzt nur noch ein Fass täglich trinken, um ihr das Gefühl zu geben, dass ich ihr Training unterstütze.“ Für alles, was darüber hinaus geht, werde jemand eingestellt. Die Bewerbungsphase läuft, wer ein von der OB angestochenes Fass leertrinken möchte, kann sich ab sofort im Stadthaus melden.
Ob noch weitere eheliche Pflichten auf Externe ausgelagert werden, will die Oberbürgermeisterin erst am Ende der Fassanstich-Saison bekannt geben, also beim Kreiznacher Nockherbersch 2018.