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Ökumenischer Reformationsgottesdienst

Zum morgigen Reformationstag verkünden die zahlreichen christlichen Kirchengemeinden in der Stadt ein schönes Zeichen: Anlässlich der 500. Wiederkehr des Thesenanschlags wolle man erstmals gemeinsam einen Gottesdienst feiern. Das Ereignis findet statt am 31.10.2017 um 10 Uhr in der Pauluskirche. Zur Eröffnung soll in brüderlicher und schwesterlicher Einheit das Lied vom kleinen Senfkorn Hoffnung gesungen werden, anschließend …

Wie soeben gemeldet wird, wollen die Katholiken den Gottesdienst lieber in Heilig Kreuz feiern. Von den Evangelischen komme schon das Datum, darum sei es ein schönes Zeichen, wenn der Ort katholisch sei. Bei dieser Gelegenheit meldet sich auch die evangelische Freikirche im Brothaus zu Wort: „Um zehn ist immer unser Krabbelgottesdienst. Den können wir nicht ausfallen lassen, weil die Stillkinder da am aufnahmefähigsten sind. Es wäre ein schönes Zeichen, wenn auf die Kleinsten Rücksicht genommen werden könnte.

Von der brasilianischen Kirchengemeinde im alten Güterbahnhof kommt die Anfrage, ob der Gottesdienst mit Samba-Einlagen aufgepeppt werden könnte. Dies sei ein schönes Zeichen gegenüber allen Christen in Lateinamerika. Allerdings gibt es diesbezüglich Bedenken seitens der calvinistisch-traditionalistischen Gemeinde, deren Sprecher verbittert mit den Zähnen knirscht: „Nackte Haut geht gar nicht. Das Treffen muss einheitlich in züchtigen, langen, schwarzen Gewändern stattfinden. Dies reicht als Zeichen. Wir wollen nicht, dass das Zeichen schön ist.“

Von den adventistischen Diarrhoetikern kommt der Hinweis, dass das Senfkorn im Eröffnungslied möglicherweise unangenehme Vorstellungen bei Lebensmittelallergikern auslösen könne. Ein anderes Lied sei ein wichtiges Signal an diese Gruppe und damit ein besonders schönes Zeichen. Die kryptisch-mennonitische Glaubensgemeinschaft regt an, „brüderlich und schwesterlich“ durch „geschwisterlich“ zu ersetzen. Dies erscheine weniger trennend und mehr verbindend, wodurch ein schönes Zeichen in Richtung moderner Lebensformen gesetzt werden könne. Die Neuapostoliker bestehen darauf, Sitzplätze vor den Altapostolikern zu erhalten, um durch Zuwendung des Rückens ein Zeichen an diese senden zu können. Währenddessen versuchen die Trinitarier aktuell mit den Unitariern die zwischen beiden kontrovers diskutierte Frage zu klären, ob der Sonntag nun der erste oder der letzte Tag der Woche ist. Beide Gruppierungen erhoffen sich von dem Einheitsgottesdienst ein wichtiges Zeichen für ihre Ansicht.

Bei der Stadtverwaltung hatte man gehofft, dass von dem Gottesdienst ein schönes Zeichen für Bad Kreuznach ausgehe. Mittlerweile sieht man die Veranstaltung aber in Gefahr, was kein schönes Zeichen sei. Eilig wurde daher das Amt einer Religionsbeauftragten geschaffen. Diese hat nach intensiven Gesprächen mit allen Beteiligten zunächst einmal angeregt, den Termin vom 500. Reformationsjahr in das 1000. Reformationsjahr zu verschieben. Dadurch erlange frau*in genug Zeit, die Gemeinsamkeiten noch mehr herauszuarbeiten. Der neue Termin wurde von allen Beteiligten in einer gemeinsamen Erklärung bestätigt und zugleich betont, dass dies grundsätzlich ein schönes Zeichen christlicher Einheit sei. Aus Rücksicht auf die Calvinisten wolle man aber nur von einem einfachen Zeichen reden.