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Kreuznachtillon

Die Linde

GULDENTAL GEHT GEGEN GEFÄHRDER VOR

Etwa ein Vierteljahr ist es her, dass der Guldentaler Gemeinderat sich mit einem Naturdenkmal befasste, Ortskundigen bekannt als „de Linnebaam am Heljeheisje“. Da de Linnebaam schon ungefähr sein erstes Jahrtausend hinter sich hat, wunderten sich die Ortsvertreter über dessen schüttere Krone und erkannten eine Gefahr für das Gemeinwohl. Die Lösung war bald gefunden, und zwar auf typisch Guldentaler Art: tabula rasa!

Heute morgen ließ die Ortsbürgermeisterin dann zum Vollzug blasen. Genehmigung? Einschaltung der zuständigen Behörden? Gutachten eines Baumpflegers? Alles Fehlanzeige, denn mit Vorschriften nimmt man es in Guldental nie so genau. Da zählt eher, was Krach macht, im Falle des Lindenbaums also die Motorsäge. Dem Einsatz einiger mitdenkender Mitbürger war es dann zu verdanken, dass de Linnebaam nicht einem dubiosen Ratsbeschluss zum Opfer fiel.

Vorerst hat also der gesunde Menschenverstand – wie häufig außerhalb der politischen Gremien zu finden – gesiegt. Aber de Linnebaam ist schwer geschädigt. Einmal rundherum wurde die Rinde bereits abgeschält. Die Verantwortung dafür weist die Ortsbürgermeisterin von sich: „Ich war‘s nicht, die Rinde hat mein Hund weggeknabbert.“

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Abgrundradeln

RADELN AM ABGRUND

Im Anfang war der Bach und der Bach floss in Kurven und die Kurven waren der Bach. Dann kam der Mensch und begradigte den Bach und am Ufer des geraden Bachlaufs entstand ein Radweg. Dann kam wieder der Bach und der Bach floss wieder in Kurven und der Radweg verlief plötzlich im Bach und die Radfahrer mussten absteigen. Und dann kam Karl Bodtländer und sagte, dass es gut ist: „Denn jetzt können die Radfahrer die Fußgänger nicht mehr umfahren.“

Seither rumort es zwischen Guldental und Langenlonsheim. Schließlich ist Sommer und die Guldentaler wollen ins Schwimmbad. Aber auf halber Strecke dorthin befindet sich der schlechteste Radweg Deutschlands. Die Kommission „Unser Radweg soll schöner werden“ hat ihn dieser Tage mit der gequetschten Bandscheibe ausgezeichnet, dem renomierten internationalen Radlertrostpreis, erstmals vergeben im Jahre 80 n. Chr. an die Stadt Pompeji.

Die Politik hat das Problem erkannt und sich umgehend abgesichert: In beide Richtungen stehen Verbotsschilder, obwohl jeder genau weiß, dass der Radweg bzw. das, was von ihm übrig ist, weiter genutzt wird. Man tut einfach so, als gäbe es das Problem nicht, denn ein verdrängtes Problem ist für Politiker ein gelöstes Problem.

Damit wäre der Rad-weg-Weg beinahe in Vergessenheit geraten, hätte nicht Rainer Klöckner, Winzer und Betreiber einer Straußwirtschaft in Guldental sich Sorgen gemacht, wie seine Kunden künftig zu ihm kommen. Es entbrannte eine rege FB-Diskussion, wodurch das verdrängte Problem plötzlich wieder auf der Tagesordnung stand. Dann kamen wieder die Politiker und versuchten, das Problem erneut zu verdrängen. Dazu suchten sie die Schuld woanders und siehe da, die Politiker wurden fündig: Denn im Anfang war der Bach und der Bach floss in Kurven …

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Guldentaler Kerb

GULDENTALER KERB AB SOFORT GANZJÄHRIG

„Am ersten Wochenende im August zur Guldentaler Kerb du musst“ – hieß es früher einmal. Künftig wird sich das ändern, denn der Ortsvereinsring hat gestern beim traditionellen Weinfassanstich die ewige Fortdauer der Kerb bekanntgegeben. Nur an Heiligabend soll zu Reinigungszwecken eine Pause eingelegt werden.

Die Gründe für diese Entscheidung erläuterte Karl Bodtländer, Vorsitzender des Ortsvereinsrings zu später Stunde am Tresen der SG: „Ich bin der King Karl von Malloooorca“, gröhlte er im Interview und bestätigte auf Nachfrage: „We’ll nääääver walk alone!“ Mehr war zu seinen Motiven vorerst nicht in Erfahrung zu bringen.

In der „Hilberschemer Stubb“ brach aufgrund der Meldung kurze Panik aus. „Noch wenischer Schloof“, gähnte der schon zur Eröffnung übermüdete Inhaber Georg Wagner. Dr. Hubert Gänz hingegen, dessen offenes Weingut einen wesentlichen Schwerpunkt des beliebten Volksfestes bildet, unterstützt die Idee gleich mit zwei Argumenten: „Erstens habe ich eine große Familie und zweitens kein Problem damit, die für mich arbeiten zu lassen. Von mir aus kann das ewig so weiter gehen.“ Als weiteren positiven Aspekt sieht er den damit verbundenen kulturellen Aufschwung: „Wenn ich jetzt jeden Dienstagabend „Il silenzio“ auf der Trompete spielen muss, kann ich es vielleicht irgendwann fehlerfrei.“

Ähnliche Gedanken, nur negative, hegt Arno Kluschat vom örtlichen Angelsportverein. „Jeden Dienstag Heringsessen beim Hubert? Das führt unweigerlich zu einer Überfischung des Guldenbaches. Die Leute sollen Bratwurst essen und endlich die Fische in Ruhe lassen.“ Tatsächlich hat der Betreiber des Bratwurststandes seinen Vertrag bereits endlos verlängert. „Im Laufe einer Kerb sammeln sich jede Menge Würste und Pommes an, die am Ende weggeschmissen werden müssen. Das Problem bin ich jetzt los“, zeigt er sich zufrieden.

Die Behelfsbrücke über den Mühlenteich zur Verbindung des Kerbetreibens diesseits und jenseits des Rinnsals wird nun zur Dauereinrichtung. Dazu Manfred Bauer, heimlicher Cheforganisator im Hintergrund: „Die Kreuznacher reden ständig vom Brückenschlag – wir machen’s einfach!“

Ob die Musiker der Gruppe „Westwind“ wirklich jeden Freitag Zeit für ein Eröffnungskonzert haben, steht noch in den Sternen. Ihr diesjähriger Auftritt wurde daher vorsorglich auf Band aufgenommen und wird anlässlich der Dauerkerb fortan in einer Endlosschleife die Trinkermeile auf dem Schulhof beschallen. Dort regiert außerhalb der Kerb eigentlich Friederike Rabe, Rektorin der Grundschule Guldental. Die sieht den Beschluss des Ortsvereinsrings mit gemischten Gefühlen: „Durch die Kerb wird die Hälfte meines Schulhofes dauerhaft blockiert. Das ist nicht schön für die Kinder. Aber ich erhoffe mir pädagogische Effekte davon, wenn die Schüler morgens beim Kommen und mittags beim Gehen die Veränderungen der Menschen an einem Wein- und Cocktailstand studieren können. Wir planen bereits einen lustigen Malwettbewerb zu dem Thema.“

Grenzenlose Begeisterung herrscht wiederum bei den Vertretern der Kirchengemeinden, die schon sehnsüchtig darauf warten, ab sofort jeden Sonntag ökumenisch auf dem Festplatz zu zelebrieren. „Der Bierstand öffnet erst nach der Messe, deshalb ist unser Gottesdienst vor allem beim Schlusslied noch besser besucht als die Christmette“, erläutert Gemeindereferent Gerhard Horteux.

Die Unternehmer der Gemeinde können sich ebenfalls gar nichts Schöneres vorstellen, als die nächsten Jahrzehnte zu jedem Wochenbeginn auf’s Neue ihre gesamte Belegschaft beim bayerischen Frühschoppen im Winzerhof Schwanke freizuhalten. Besonders einer freut sich bereits ein Loch in die Registrierkasse: „Montags bleibt die Küche kalt, denn das Volk will Weißwurst halt“, bekennt sich Markus Buchholz, Inhaber des Kaiserhofes, zur Guldentaler Dauerkerb.

Paul Schmitt, Seniorchef der örtlichen Fahrschule, hat die neuen Öffnungszeiten der Kerb umgehend in sein Ausbildungskonzept integriert: „Wenn der Autoscooter jetzt ganzjährig zur Verfügung steht, werde ich alle Fahrstunden nur noch dort abhalten. Meine Fahrschüler gelten eh schon als die Schlimmsten weit und breit, künftig werden sie diesem Ruf auch gerecht.“

Und was sagt Ortsbürgermeisterin Elke Demele? Die im Dorf als Hort der Verschwiegenheit und Vertraulichkeit geschätzte Gemeindechefin bezeichnet die Neuregelung in einer offiziellen Erklärung als „super toll“. Hinter vorgehaltener Hand gibt sie geheime Interna zum Besten: „Denen laufen doch die Aktiven davon. Die hatten gerade noch genug Leute zum Aufbauen der Kerb und wissen jetzt nicht, wer das Ganze wieder abbauen soll. Nur deshalb geht das hier ganzjährig weiter.“ Dann lächelt sie wie beschwippst und meint unschuldig: „Huch, das durfte ich ja eigentlich gar nicht sagen, behalte das bloß für dich, mein Lieber.“ – Aber irgendwie hat man nicht den Eindruck, dass ihr dieser Fauxpas leid täte.