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Bergwerk

BERGWERK ZERLEGT SICH VOR KUMMER SELBST

„Du hast’n Pulsschlag aus Stahl, man hört ihn laut in der Nacht“, dichtete Herbert Grönemeyer einst über die Zechenstadt Bochum. „So schlimm war ich nie“, erklärte dazu einst das Stromberger Kalkbergwerk. Dieser Tage ist es zehn Jahre her, dass das Werk sein letztes Interview gegeben hat. Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir darum dieses erschütternde Zeitdokument noch einmal, erinnern uns seiner mahnenden Worte: „Ja, manchmal wird gesprengt, dann gibt es eben einen Knall. Hin und wieder staubt es auch. Aber ist das wirklich so unerträglich?“, wetterte das Bergwerk damals. „Vielleicht bin ich keine Schönheit, aber interessant sehe ich schon aus. Ein echtes Stück Industriegeschichte. Fahrt ihr nachts an mir vorbeifahrt, dann ist mein Anblick spektakular. Die Silos und Öfen wirken im Licht der Scheinwerfer monströs und geheimnisvoll, fast wie ein gerade gelandetes Raumschiff. Seit 1899 bin ich Teil eurer Stadt und gebe euch Arbeit! Manche Familien erhalten über Generation hinweg durch mich Lohn und Brot! Aber ein paar Neubürger, zugezogene Egoisten, wollen mich nicht mehr. Was kümmert euch das? Hört nicht auf diese Einsiedler im Schindeldorf! Denkt lieber an eure eigene Zukunft, sonst wird eure Stadt vor die Hunde gehen!“

Soweit das Interview mit dem Kalkwerk vor zehn Jahren. Was damals noch keiner ahnte, war die schwere Depression, die das Bergwerk schon bald nach diesem Interview erfasste. Es hat wohl nie verwunden, dass eine Mehrheit sich gegen es entschieden hat. Und als es dann keine Flöze und Halden mehr zermalmen, keinen Kalk mehr brennen durfte, da begann es, sich selbst zu zerlegen. Zuerst bemerkte dies keiner, weil das Werk sich nur innerlich zernagte. Aber als die stolzen Türme, fielen und dann noch die wehrhaften Mauern, konnte keiner mehr darüber hinwegsehen. Da war es allerdings schon zu spät: Petrificus buliminus – die hochgefährliche Steinmagersucht hatte bereits vollständig von ihm Besitz ergriffen.

Eine langwierige Krankheit! Das Siechtum dauerte Jahre während derer das Werk unentwegt seinen Kummer in sich hinein und damit sich selbst auffraß. Mittlerweile hat sich das Stromberger Kalkbergwerk vollständig aufgezehrt. Geblieben ist nur ein Hügel aus Schotter und Sand. Den wird der Wind davontragen. Und klammheimlich über die Stadt verteilt feixen und grinsen gehässig diejenigen, die Strombergs Zukunft gestohlen haben, die Diebe – oder sagt man Klauer?

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Strombergversteigerung

STROMBERG WIRD VERSTEIGERT

Die Verbandsgemeinden müssen neu zugeschnitten werden, so will es die Landesregierung. In diesem Zusammenhang ist insbesondere das künftige Schicksal der VG Stromberg umstritten. Einzelne Dörfer könnten von den umliegenden Verbandsgemeinden Langenlonsheim, Rüdesheim und Rheinböllen übernommen werden. Probleme bereitet aber die wegen ihrer Schulden gefürchtete Stadt Stromberg. Niemand will sie haben.

Innenminister Lewentz hat darum jetzt entschieden, Stromberg in einer Online-Auktion bei ebay anzubieten. „Unsere Verkaufsmodelle für den Nürburgring und den Flugplatz Hahn haben uns nur Kritik eingebracht“, rechtfertigt der Innenminister diesen Schritt. „Ebay ist dagegen kinderleicht und völlig problemlos. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dort über’s Ohr gehauen wird. Eine erfolgreiche Auktion wäre endlich auch mal ein Erfolg für mich.“

Die Stromberger Stadtbürgermeisterin Klarin Hering äußerte sich in einer ersten Stellungnahme kritisch: „Das Internet ist bei uns noch so langsam, dass praktisch kein Stromberger mitbieten kann. Bis ein Gebot von hier bei ebay eingeht, ist die Auktionszeit bereits abgelaufen.

Ganz andere Sorgen plagen Verbandsbürgermeisterin Denker: „Das Ganze hat ja auch eine soziale Dimension. Wir müssen an die kleinen Leute denken. Ich sehe das Land hier in der Pflicht, alle Interessenten zu überbieten und Stromberg selbst zu ersteigern.“

Dies ist auch die Linie von Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die bereits zugesagt hat, notfalls auch neue Schulden zu machen, um zu verhindern, dass die Stadt an unbekannte Bieter geht. Einschränkend weist sie aber auf die Konsequenzen hin: „Die Schulden müssen auch refinanziert werden. Es wird kein Weg darum herum führen, die Stadt Stromberg anschließend zur Schuldentilgung bei ebay zu versteigern.“