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Kreuznachtillon

Public Viewing

EILMELDUNG: KEIN PUBLIC-VIEWING ZUR WM

Wie die Stadtverwaltung soeben mitteilt, wurden alle bereits erteilten Genehmigungen für öffentliche Darbietungen von Spielen der WM Russland 2018 widerrufen. Neue Genehmigungen werden nicht erteilt. Zur Begründung wurde auf das neue Datenschutzrecht (EU-DSGVO / BDSG neu) verwiesen. Danach sei es nicht zulässig, menschliche Emotionen ohne ausdrückliche vorherige Einwilligung zu zeigen.

„Wir befürchten, dass durch Kameraschwenks ins Publikum Torjubel unter Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht öffentlich gemacht werden könnte“, verlautet es aus dem Stadthaus. Zudem gibt man zu bedenken: „Falls jemand einen verschossenen Elfer beweint und dann lebensgroß auf dem Kornmarkt zu sehen ist, drohen Regressforderungen, die den städtischen Haushalt auf Jahrzehnte ruinieren könnten.“

Den Vorwurf, andere Städte hätten das Problem längst gelöst, weist man seitens der Stadt zurück: „Die einzig denkbare Lösung ist eine unterschriebene Einwilligung aller Zuschauer. Die Formulare dafür liegen an den Eingängen zu den Arenen aus. Weil das aber jede Kommune so macht, haben sich vor den russischen Stadien bereits riesige Schlangen mit Unterschriftsschaltern gebildet. Für das Eröffnungsspiel in Moskau steht unser Schalter derzeit auf der Höhe von Kiew. Wer zum Finale will, müsste aktuell in Wladiwostok unterschreiben. Wir befürchten, dass die Einwilligungen uns nicht rechtzeitig vor den Spielen erreichen.“

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Verschwörung

ALPTRAUMTAG DER POLIZEI

Mit dem größten Großaufgebot, das sie noch aufbieten kann, fahndet die Polizei seit den frühen Morgenstunden im ganzen Landkreis. Gleich mehrere anonyme Tippgeber hatten gemeldet, beim Besuch katholischer Frühmessen konspirative Gespräche mitgehört zu haben.

„Uns wurden aus drei verschiedenen Orten im Kreisgebiet gleichlautende Informationen zugespielt, da muss was dran sein“, ist aus Polizeikreisen zu hören. Details werden aus ermittlungstaktischen Gründen nicht genannt. Korrespondenten des Kreuznachtillon ist es jedoch gelungen, zwei Seniorinnen zu befragen, die heute früh direkt nach dem Kirchgang vorläufig festgenommen und soeben nach intensiven Vernehmungen aus dem Polizeigewahrsam entlassen wurden. Beide schilderten übereinstimmend, sie hätten eigentlich nur des Heiligen St. Florian gedacht, wie dies am 4. Mai eben üblich sei.

Von Brauchtum will man aber bei der Polizei nichts wissen. Das Stoßgebet„Heiliger Sankt Florian, verschon‘ mein Haus, zünd‘ and’re an!“ sei eine nach § 111 StGB strafbare öffentliche Aufforderung zu Straftaten und müsse in Zeiten der Null-Toleranz-Politik eisern verfolgt werden, erläuterte ein Polizeisprecher. Für weitere Auskünfte hatte er keine Zeit. „Die Dienste berichten uns, dass in Internetforen verstärkt das kryptische Kürzel „May the 4th be with you“ zirkuliert. Da bahnt sich möglicherweise eine Verschwörung an. Wir müssen jetzt nicht reden, sondern handeln!“

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Emojis

VOBA SETZT AUF KONTO-EMOJIS

Die Idee hatte Horst Weyand, Vorstandsvorsitzender der örtlichen Volksbank, bei der Online-Überweisung eines Parkknöllchens. „Gerne hätte ich der Stadtkasse noch ein Blumensträußchen auf den Kontoauszug gedruckt“, berichtet er. „Aber das Programm blockiert solche Symbole. Das muss sich ändern!“ Als erstes Bankhaus weltweit wird die Volksbank daher künftig die Möglichkeit eröffnen, Überweisungen mit Emojis zu versehen.

Der Gedanke dahinter: Schulden begleichen muss Spaß machen. Darum gibt es standardmäßig bereits folgende Voreinstellungen:

Bei der Bank freut man sich auf weitere kreative Überweisungen. Die lustigsten Ideen werden jeden Monat mit einem Erlass der Kontoführungsgebühr prämiert.

Was die lästigen Parkknöllchen der Stadt betrifft, hat Weyand Zweifel, ob seine Idee mit dem Blumensträußchen sich durchsetzt. Diesbezüglich hofft die Volksbank auf originelle Vorschläge, wobei der Vorstandsvorsitzende eines klarstellt: „Bitte keinen Mittelfinger. Den konnte ich mir selbst nur mühevoll verkneifen.“

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Tanzverbot

HEIDENSPAß IN KREUZNACH

Kaum ist Ostern, zirkulieren Auferstehungsgerüchte in der Stadt. Gleich mehrere Augenzeugen bekunden, Bürgermeister Heinrich lebend gesehen zu haben. Nachdem die Jugendorganisation seiner Partei zuletzt seinen Rücktritt gefordert hatte, war mehrfach berichtet worden, er habe sich totgelacht. Von einem österlichen Wunder will der Politiker jedoch nicht sprechen. „Totgesagte leben eben länger“, kommentiert er lakonisch.

Derweil erwies sich der Großangriff einer Partei auf das Christentum als Rohrkrepierer. Der Versuch, das Tanzverbot an Karfreitag zu kippen, scheiterte an einer Frist. Die vermeintlichen Vorkämpfer für die Tanzfreiheit haben daher nun den nächsten stillen Feiertag ins Visier genommen: den Volkstrauertag. Die Texte zum Karfreitagstanz wurden bereits umgeschrieben. „Wir danken Stadt und Angehörigen von Kriegstoten, dass sie durch das Verbot aufzeigen, dass wir immer noch in Zeiten leben, in denen Trauernde ihren nicht-trauernden Mitmenschen ihren Willen aufzwingen können, statt die Vergangenheit einfach ruhen zu lassen“, lautet ein erster Entwurf, der aber die Witzpartei selbst nicht überzeugt. Auch die Idee, zum Volkstrauertag Bierzelte neben die Friedhöfe zu stellen und den Protest gegen das Tanzverbot durch sogenannte „Weltkriegsbesäufnisse“ zu demonstrieren, wurde bereits wieder verworfen. Irgendwo hat auch Satire Grenzen, räumt „die Partei“ mittlerweile reumütig ein. „Vielleicht zeugt es ja auch von Geistesgröße, das Bedürfnis Anderer nach einem stillen Feiertag einfach zu tolerieren, anstatt wie ein trotziges Kind dagegen zu opponieren.“

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Skelettfund

SKELETTFUND IM NEUEN JUSTIZGEBÄUDE

Während die Stadt noch darüber grübelt, ob die Falschmeldung über Skelettfunde auf dem Kornmarkt lustig war oder nicht, macht schon der nächste Skelettfund die Runde. Schauplatz ist diesmal der neue Justizpalast. Dort fiel dieser Tage ein Stück Decke aus einem Sitzungssaal herab. »Verletzt wurde niemand«, vermeldet der Bauherr, was nicht verwundert, denn was unter der Decke zum Vorschein kam, war schon tot. Gefunden wurden zwar nicht Skelette, aber Leichen, und zwar Aktenleichen, also dicke Papierstapel, um die sich einfach keiner mehr kümmern will.

Anwälte in der Stadt stehen bereits Schlange, um herauszufinden, ob vielleicht ein Fall, auf dessen Entscheidung sie seit Jahren und Jahrzehnten warten, dabei ist. Insbesondere Kostenfestsetzungsanträge, also solche Fälle, bei denen es um Geld geht, das der Staat den Anwälten zu zahlen hat, verschwinden nach Meinung vieler Advokaten immer wieder in einer Endloszeitschleife.

Wer die Akten hinter der Deckenverkleidung des Sitzungssaales versteckt hat, ist noch unklar. Schlau war die Idee jedenfalls nicht, denn wie das mit der Gerechtigkeit so ist, verschafft diese sich immer irgendwann Gehör. Es kann nur ziemlich lange dauern. Während die Anwälte nun wieder Hoffnung haben, dass ihre Kostenanträge vielleicht doch noch bearbeitet werden, hat der Bauherr die Staatsanwaltschaft beauftragt, in dem Fall der verborgenen Aktenleichen zu ermitteln. Das kann aber ebenfalls noch dauern, denn die Staatsanwaltschaft leidet derzeit an einem Heizungsausfall. In der vergangenen Frostperiode sollen etliche Strafverfolger an ihren Schreibtischen festgefroren sein, wird gemunkelt. Derzeit wartet man darauf, dass sie wieder auftauen.

Da die Strafverfolger allerdings im dritten Stock sitzen, könnte auch dies zu neuen Problemen führen. Bausachverständige warnen vor Schmelzwasser der auftauenden Staatsanwälte. Und Wasser fließt bekanntlich nach unten, wo dann neue Deckenabstürze die Folge sein könnten. »Dumm gelaufen«, meint dazu ein Vertreter des Bauherren. »Wir hatten leider nur Schwitzwasser durch fleißige Arbeit eingeplant und deshalb die Staatsanwälte ganz oben platziert. Von denen war am wenigsten zu erwarten, dass sie ins Schwitzen kommen.«